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  • AutorenbildRenan Sari Winkler

Studienabbruch – was nun? Alternativen zum Studium in Aachen

Ganze sechs Hochschulen mit insgesamt knapp 60.000 Studierenden zählt die Stadt Aachen. Damit studiert etwa ein Viertel der Aachener Bevölkerung! Die größte Hochschule ist dabei die RWTH, die als technische Universität natürlich einen starken Schwerpunkt im MINT-Bereich aufweist. Aber nicht alle jungen Menschen in Aachen sind Studis: Die neun Berufskollegs der Städteregion Aachen bieten für etwa 19.000 Schüler+innen die Möglichkeit, einen von 117 Ausbildungsberufen zu erlernen.


Dabei klagen viele Berufsverbände von zu wenigen geeigneten Bewerber*innen und unbesetzten Ausbildungsstellen. Der Fachkräftemonitor der IHK prognostiziert für Nordrhein-Westfalen für das Jahr 2030 einen Engpass beruflich qualifizierter Fachkräfte von 671.000 Personen (13,2 %). Im Bereich beruflich qualifizierter mit technischer Ausrichtung liegt der Wert bei 150.000 (9,9 %).


Neben demografischen Faktoren spielt auch die Bildungsexpansion in Bezug auf den Fachkräftemangel eine Rolle. Denn der Hochschulbesuch gewinnt an Attraktivität. Dadurch streben immer weniger Schulabgänger*innen eine duale Berufsausbildung an. Aber nicht jede*r ist an an der Hochschule gut aufgehoben: Fast ein Drittel der Studierenden bricht ihr Studium ab. Wer daran schuld ist, da sind sich Hochschulen, Politik und Medien uneinig. Fest steht: Die Studienabbrecher*innen brauchen eine Alternative. Und genau an dieser Stelle greift das Projekt switch 2.0.


Dieses bietet für Studienabbrecher*innen einen neuen Weg und unterstützt sie dabei, eine geeignete Ausbildungsstelle zu finden. Das Besondere: Die Ausbildung dauert nicht wie gewöhnlich drei Jahre, sondern kann im besten Fall auf 18 Monate verkürzt werden. Gestartet hat das Projekt 2011 als SWITCH mit einer Modellklasse für den Beruf Fachinformatiker*in für Anwendungsentwicklung. Mittlerweile sind bei switch 2.0 nicht nur Ausbildungen aus dem IT-Bereich vertreten, sondern auch jede Menge Ausbildungen aus dem kaufmännischen Bereich, aus der Maschinen- und Elektronikindustrie wie auch kreative Berufe. Mehr Informationen gibt es auf der Seite der Stadt Aachen.


14. November 2018, Aachen. Heute erzählt uns Michi , aus welchen Beweggründen er am SWITCH-Programm teilgenommen hat. Michi (30) lebt in Aachen und arbeitet bei Bonnenberg und Drescher , einem kleinen Unternehmen mit ungefähr 25 Mitarbeiter*innen mit Sitz in Aldenhoven. Michi ist über das SWITCH-Programm zu seinem Ausbildungsplatz gekommen.


Bist du zufrieden mit deinem Arbeitsplatz?

Ja, sehr. Ich finde meine Aufgaben extrem spannend. Das schöne ist, dass ich direkt die Ergebnisse meiner Arbeit sehe. Generell arbeite ich viel eigenverantwortlich. Ich bekomme keine genauen Vorgaben, wie ich die Aufgaben lösen muss. Das Wichtige ist das Ergebnis, der Weg dahin egal. Die Arbeit ist also abwechslungsreich und verantwortungsvoll. Während meiner Ausbildung war der Ausflug nach Rumänien ins Kohlekraftwerk vor etwa einem Monat besonders interessant für mich.


Wie bist du auf das SWITCH-Programm aufmerksam geworden?

In meiner ersten Uni-Woche wurden Flyer des Programms verteilt. Dadurch war mir das Programm bereits ein Begriff. Ich erinnerte mich daran und informierte mich dann im Internet.


Wie lange hast du studiert?

12 oder 13 Semester. Ich hatte bestimmt schon um die 160 Credits erworben. Mir fehlten nur noch zwei oder drei Klausuren und die Bachelorarbeit.


Hattest du Schwierigkeiten im Studium? Falls ja, was denkst du wodurch bedingt?

Am Anfang habe ich sehr viele Klausuren geschrieben, dann habe ich aber immer weniger Klausuren geschrieben. Insbesondere das Fach Maschinengestaltung machte mir zu schaffen – es fiel mir schwer mich so lange mit einem Fach zu beschäftigen welches mich so gar nicht interessiert. Mir fehlte einfach ein erster Zugang. In der Ausbildung ist das anders, denn ich habe wirklich gute Betreuer, die sich um mich kümmern und mir bei Fragen weiterhelfen. Das Studium lief sehr anonym ab, denn es fällt den Dozierenden nicht auf wie schwer man sich möglicherweise mit einem Fach tut. Dies soll jedoch keine Kritik an der Uni sein – es ist einfach eine andere Herangehensweise.


Hast du Hemmungen gehabt, dein Studium abzubrechen? Wodurch kamen diese zustande?

Ich habe ungefähr zwei Jahre gebraucht, um wirklich diese Entscheidung zu treffen und mich gefragt, wie die Menschen in meinem Umfeld wohl darauf reagieren. Im Nachhinein waren die Sorgen unberechtigt, denn jeder hat positiv auf meine Entscheidung reagiert.


Hast du, bevor du dein Studium begonnen hast, überlegt eine Berufsausbildung zu machen?

Nein, über eine Berufsausbildung habe ich mir keine Gedanken gemacht. Für mich war nach dem Abitur klar, dass ich studieren möchte. Obwohl ich dazu sagen muss, dass mir während meiner Schulzeit auf dem Gymnasium wenig andere Optionen als ein Studium aufzunehmen aufgezählt wurden. Ich denke aber, dass ich trotzdem ein Studium begonnen hätte.


Hättest du auch ohne das Programm die Motivation gehabt dich für eine Berufsausbildung zu entscheiden?

Ohne das SWITCH-Programm hätte ich mich wahrscheinlich erstmal an die Arbeitsagentur gewendet. Einen anderen Studiengang zu beginnen, habe ich ausgeschlossen. Das SWITCH-Programm half mir dabei, durch das attraktive Angebot der verkürzten Berufsausbildung, eine Entscheidung zu treffen.


Wie genau lief das SWITCH-Programm ab?

Nach einem telefonischen Erstgespräch traf ich mich mit einem Mitarbeiter der SWITCH-Agentur. Denn das SWITCH-Programm läuft über eine private Agentur (SWITCH-Agentur für Lösungen). Zunächst sollte ich eine DIN-A4-Seite gestalten, auf der ich mein technisch-mathematisches Profil beschreibe. Der Mitarbeiter gab mir ein paar Verbesserungsvorschläge zu Formulierungen. Zudem nahm ich an einem Test teil, der logisches Verständnis prüft. Das Testergebnis wurde der DIN-A4-Seite angefügt und als Rundmail an alle Firmen gesendet, die am SWITCH-Programm teilnehmen. Meines Wissens nach sind es um die 180 Firmen im Umkreis von circa 50 km von Aachen. Nachdem die Mail verschickt wurde, meldeten sich innerhalb weniger Stunden mehrere Firmen bei mir, um mich zu einem Kennenlerngespräch einzuladen. Daraufhin hatte ich eine Woche lang jeden Tag ein Gespräch für ein gegenseitiges Kennenlernen. Ich vereinbarte bei zwei Firmen Termine zum Probearbeiten und entschied mich schließlich für Bonnenberg und Drescher.


Wer sind die Mitschüler*innen in der SWITCH-Klasse?

Auffällig ist, dass die Klasse aus 23 Männern und einer Frau besteht. Das Alter meiner Mitschüler*innen war zu Beginn durchaus unterschiedlich – ein Teilnehmer war erst 19 Jahre alt, ein anderer 55. Es gibt jedes Halbjahr eine Klasse. Setzt man die Teilnehmer*innen des SWITCH-Programms ins Verhältnis zur Anzahl der Studierenden in Aachen ist die Zahl der Teilnehmer*innen wirklich gering. Der Großteil in meiner Klasse hat vorher Maschinenbau studiert, bestimmt 90 %. Auch die restlichen Teilnehmer*innen ein vergleichbares Fach, zum Beispiel Wirtschaftsingenieurwesen.


Hast du Verbesserungsvorschläge für das SWITCH-Programm?

Nein. Innerhalb von zwei Wochen fand ich meine Ausbildungsstelle. Danach hatte wenig mit den Akteuren des SWTCH-Programms zu tun.


Hast du Ratschläge für Studierende, die überlegen, am SWITCH-Programm teilzunehmen?

Ich denke, dass anderthalb Jahre ein überschaubarer Zeitraum ist. Und nach der Berufsausbildung gibt es immer noch Möglichkeiten, berufsbegleitend zu studieren oder sich auf andere Weise weiter zu qualifizieren. Wichtig ist, ehrlich zu sich selbst zu sein und sich zu fragen warum es mit dem Studium nicht geklappt hat. Außerdem würde ich, bevor man sich für eine Firma entscheidet, auf jeden Fall einen oder zwei Probetage machen und mit den Azubis, die bereits in dem Betrieb arbeiten, sprechen – wenn möglich, wenn der Chef nicht dabei ist. :)

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